Es gibt Buchstaben, die kriege ich einfach nicht hin, egal wie viel ich übe. Kennt Ihr das auch? Mein Problembuchstabe ist das kleine ’s‘. Wenn es für sich alleine stehen würde, wäre es gar nicht mal so schlimm, denn hübsch ist es ja, aber im Textfluss sieht es bei mir nie wirklich gut aus. Und wenn es gut aussieht, dann ist mein Schreibfluss nicht mehr harmonisch. Das liegt daran, dass ich für ein schöneres Schriftbild das kleine Druckschrift ’s‘ nutze. Da dieses vom Schreiben her in der rechten oberen Ecke der x height beginnt und an der linken unteren Ecke endet, läuft es entsprechend genau gegen den Schreibfluss, den die Schreibschrift aufrecht erhalten soll. Genau das merke ich da auch, sobald das kleine ’s‘ in einem Wort kommt, muss ich die Feder absetzen, woanders hinbewegen, den Buchstaben schreiben und dann wieder absetzen, nur um wieder an der rechten unteren Ecke anzufangen, damit die nächsten Buchstaben wieder fließen können. Ihr könnt Euch also schon denken, dass ich entsprechend eine bunte Mischung aus Schreib- und Druckschrift beherrsche :). Man könnte ja sagen, lass das ’s‘ doch einfach weg, was solls? Aber habt Ihr mal gezählt, wie oft ich allein in diesem kurzen Text den Buchstaben ’s‘ benutzt habe? Bis zum Fragezeichen sind es 156 Stück bei 206 Wörtern, der Wahnsinn, oder?
Jedenfalls habe ich natürlich meine Kalligraphie Bibel gewälzt und Onkel Google gefragt (welche Überraschung), um ein schöneres kleines ’s‘ zu finden. Aber was glaubt Ihr? Es gibt tatsächlich nur diese 2 Varianten, die wir alle kennen: Druck- und Schreibschrift. Natürlich gibt es kleine Variationen, wo der eine Schwung kleiner oder größer ist, hier und da noch ein Strich verlängert wurde, aber das Grundgerüst ist immer gleich. Na super, da bleibt mir wohl nichts anderes übrig als weiter zu üben.
Mein Freund hat sich die Buchstaben natürlich auch direkt mal näher angesehen und sofort die Verbindung zwischen beiden gefunden. Denn die Schreibschrift leitet sich ja von der Druckschrift ab, wie uns ja allen sofort klar war. Nein, im Ernst, das ist tatsächlich so. Wenn man sich jetzt das kleine Druckschrift ’s‘ mal ansieht und nun von der rechten oberen Ecke (der Beginn) einen Strich nach links unten zur Baseline zieht, hat man schon die Grundstruktur des Schreibschrift ’s‘. Das ist interessant, sie sind sich so ähnlich und dennoch ganz unterschiedlich zu schreiben. Natürlich sind die Bögen des Schreibschrift ’s‘ nicht ganz so gleichmäßig wie bei der Druckschrift, der obere Bogen ist in der Schreibschriftversion deutlich weiter geschwungen und der untere Bogen wird manchmal auch weggelassen (ja, hier sind wir bei den Variationen 🙂 ). Der Unterschied beim Schreiben liegt ganz klar in der Reihenfolge, in der Schreibschrift beginnen wir jetzt links unten und enden rechts unten. Das hat den harmonischen Schreibfluss inne, aber für mich ist es echt schwer, meistens wird das ’s‘ zu ausladend und entsprechend passt es nicht mehr zu meiner sonst schmalen Schrift oder die Bögen werden so unterschiedlich, dass es krüppelig aussieht. Ach ich weiß auch nicht, der Buchstabe ist nicht meiner. In einigen Wörtern wie zum Beispiel ‚es‘ oder ‚was‘ sieht er noch gut aus, aber ganz schlimm sind Worte, in denen das ’s‘ nach einem ‚r‘ oder ‚b‘ kommt, denn hier wird der Buchstabe dann auch einmal von oben begonnen, da ‚r‘ und ‚b‘ ja an der x-height enden… Oh man, ist das schwer.
Nächste Woche zeige ich Euch mal ein paar Variationen des verschiedenen und doch so gleichen Buchstabens.
[Quelle Titelbild: flickr.com von Herbstrose aus Hamburg: ‚Letter‚]
Hallo Maike,
es gibt durchaus verschiedene Schreibschrift S. Eines, wie Du es übst mit Schlaufen oben und unten und eines (durchaus weiter verbreitet) welches in sich bzw. im Aufstrich endet. Denn auch in der flüssigen Schulschreibschrift (so kenne ich es) wurde nach dem S neu angesetzt. Aus meiner Sicht ist die in sich endende Variante gerade für Anfänger leichter zu schreiben. Da könnte daran liegen, dass bei der »zweischlaufigen« Variante der erste Bogen eher senkrecht und der zweite eher waagerecht ist. Also schon nicht einfach im Schreibfluss umzusetzen. Schreibschrift heißt eben nicht nicht abzusetzen.
Obwohl, eine Schrift gibt es mit einem sehr flüssigen S: die Deutsche Kurrent mit ihrem Lang-S (nur ein Aufstrich zur Ober- und ein Abstrich zur Unterlänge). Wobei es auch hier noch das zweite Rund-S am Wort- und Silbenende gibt. Es ist zumindest für Eilige die am schnellsten zu schreibende Schreibschrift, weil kaum neu angesetzt wird und es ein recht gleichmäßiges Auf und Ab gibt.
Du sieht, auch zum kleinen Schreibschrift S gibt es mehr als nur zwei Varianten. Mindestens sind es drei 😉
Zwei Links habe ich auch noch für Dich: Bilder vom ersten Kurs zur Englischen Schreibschrift (http://wortspuren.com/sahnige-bogelchen/) und die Beispiele für die Deutsche Kurrent (http://wortspuren.com/schreibmelodien-♛-zeichenfeder/)
Hier beende ich mal meinen Ausflug zum kleinen Schreibschrift S. Ich wünsche Dir viel Erfolg für Deine weiteren Geh-, ähm Schreibversuche mit dem kleinen S und freu mich schon auf Deine S-Varianten.
Viele Grüße
Anja
Hallo Anja,
ja, es gibt viele Variationen des kleinen ’s‘. Selbst in der Version der deutschen kurrent ist das s vom Prinzip lediglich eine Verlängerung der Striche mit Verkürzung der Bögen, wenn ich richtig geschaut habe, ist eine Variation des Schreibschrift s. Ich weiß nicht genau, mit welchem s es begann, aber im Endeffekt ist die Grundstruktur wieder vorhanden… Ja, am Dienstag habe ich einige Variationen vorbereitet, und ich gehe fest davon aus, dass das nicht mal die Hälfte aller Variationen ist 😀
Englische Schreibschrift ist wunderschön… da werde ich mich auch irgendwann dran trauen. Die möchte ich unbedingt lernen, deine Einträge bestätigen mich darin immer wieder. Aber für einen Kurs fehlt mir leider momentan die Zeit 🙁 also heißt es selber was üben, damit ich, wenn ich mal einen Kurs machen kann nicht als blutiger sondern nur als Anfänger da stehe ;D
Einen schönen Sonntag noch und vielen Dank, für die hilfreichen Links!
Hallo Maike,
ich denke, so gesehen lassen sich viele Buchstaben sehr reduzieren reduzieren. Zumindest entstand die Schreib- aus der Druckschrift. Denn bevor man auf Papier geschrieben hat, wurden die Buchstaben in Stein gemeisselt/geritzt. Die Schreibschriften wurden dann der Hand und dem Schreibgerät angepasst (es sollte ja schneller gehen) – und auch der Mode. Wenn Dich die Geschichte der Schrift interessiert, dann empfehle ich Dir unbedingt »Bruckmann’s Handbuch der Schrift« von 1992 (sicher noch irgendwo antiquarisch zu bekommen). Ich habe es vor Jahren mal »verschlungen«.
Für die Englische Schreibschrift kann ich Dir noch einen Link empfehlen – ich mag ja dieses Alphabet sehr 😀 http://wortspuren.com/maritimes-alphabet/
Und keine Angst, bei einem Kurs als blutiger Anfänger dazustehen. Oft ist es einfacher, das Funktionieren einer Schrift von Grund auf zu lernen, als es sich selbst evtl. falsch beizubringen. Bei welchem Alphabet steht schon, dass es im Grunde »nur« aus Ovalen oder Zacken besteht? Wichtig ist nicht der Buchstabe alleine, sondern die generelle Schreibform eines Alphabetes.
Viele Grüße
Anja