Über Federwinkel und Linienführung wird in der Kalligraphie zwar immer drauf hingewiesen, aber nur sehr wenig drüber berichtet. In Büchern, die Alphabete zeigen, steht zwar der Federwinkel, aber was fange ich damit als Anfänger denn eigentlich an?! Das möchte ich heute ändern. Es hat mich einiges an Zeit gekostet, beides zu verstehen und auseinanderzuhalten. Welchen Sinn das alles hat und wann ich was wie einsetze. Aber, so langsam habe ich etwas Verständnis dafür entwickelt.
Der Federwinkel bedeutet, wie die Feder des Schreibgerätes auf dem Papier angesetzt wird, und zwar im Winkel zur Grundlinie. Wichtig hierbei ist, dass die Position der Feder in diesem Winkel über den gesamten Schreibprozess hinaus gehalten werden sollte, um ein harmonisches Bild zu erhalten. Das heißt, egal welche Linie Du mit Deiner Feder ziehst, die Feder ist immer in der gleichen Position. Die Hilfslinie zum Federwinkel muss immer mit der Federspitze konform gehen.
Okay, mal etwas praktischer: es gibt die Grundlinie, auf der alle Buchstaben aufliegen. Auf dieser Linie legst Du ein Geodreieck mit der Basis an und misst den gewünschten oder vorgegebenen Winkel aus. Den Punkt des Winkels sowie den Nullpunkt des Geodreiecks auf der Grundlinie markieren und eine Linie durch die beiden Punkte ziehen. Entsprechend wird die Hilfslinie die Grundlinie nun kreuzen. Das ist die Augangsbasis. An der Hilfslinie kannst Du nun Deine Feder ansetzen, diesen Winkel solltest Du möglichst nicht mehr verändern während des Schreibens. Um das zu vereinfachen, kannst Du die Hilfslinie mehrfach nebeneinander auf das Papier bringen. Das ist zwar erstmal aufwendiger, aber im Nachhinein ist es leichter, da Du so immer an den Federwinkel erinnert wirst und Dich korrigieren kannst.
Soweit klar? Dieser Federwinkel gilt natürlich nicht für jede Feder und auch nicht für jede Schrift. Aber für die Federn, die eine breite Spitze haben, ist er relevant. Zum Beispiel Plakatfedern, Bandzugfedern oder die Paralell Pens. Für Spitzfedern oder Pointballfedern gilt dieser Winkel nicht.
Wenn Du schon bestehende Alphabete lernst, gibt es oft die Angabe zum Federwinkel, in dem die Feder gehalten werden soll, um die Proportionen der Srichbreiten in den Buchstaben konstant zu halten. Der Vorteil daran ist, dass keine bestimmte Feder dazu benutzt werden muss. Du kannst dasselbe Alphabet sowohl mit 1,8mm Breite als auch mit 5,6mm Breite schreiben. Das einzige, was sich ändert, ist die Größe der Buchstaben. Zur Erinnerung: die Größe der Buchstaben wird bei breiten Federn (Plakat- oder Bandzugfeder oder Parallel Pens) immer an Hand der Feder ausgemessen, dazu setzt Du die Feder an der Grudlinie im 90° Winkel an und ziehst 8 Striche übereinander, oder versetzt übereinander, so dass kleine Kästchen entstehen. Aber mehr dazu findest Du hier.
Warum aber ist dieser Winkel denn eigentlich wichtig? In der Kalligraphie spielt man mit unterschiedlichen Strichlängen und Strichbreiten. Durch die breite Spitze hat die Feder je nachdem in welche Richtung Du sie bei gleichbleibender Haltung ziehst, automatisch unterschiedliche Breiten. Ein konstanter Federwinkel bewirkt also auch konstante Strichveränderungen. Jeder Strich in dieselbe Richtung hat entsprechend dieselbe Breite, ohne dass Du darüber nachdenken musst. Das Ziel ist somit zum einen Varianz in die Strichbreiten zu bekommen und gleichzeitig eine gewisse Ordnung zu halten, weil nicht jeder Strich ohne Sinn irgendeine andere Breite hat. Das hilft, Dir Dein Werk spannend und harmonisch zugleich zu halten.