Die Handschrift exisitiert schon seit Jahrtausenden. Die ältesten bekannten Schriften sind aus dem Jahr 600 vor Christi und wahrscheinlich ist sie noch älter. Forscher haben die Verwendeung der Schrift auf etwa 5.500 Jahre vor Christi datiert. Die ersten Gedanken wurden somit per Hand mit Hilfe von Bildern, Piktogrammen festgehalten. Im Laufe der Zeit hat sich die Schrift verändert, es wurden Buchstaben und Worte geformt. Die Druckschrift, verschiedene Arten der Schreibschrift… ein wahres Wunderwerk an Entwicklung.
Heute, im Jahr 2018 ist die Welt anders. Wir haben neue Techniken entwickelt. Mit dem Computer zu schreiben ist heute nicht nur normal, sondern eine Notwendigkeit geworden. Geschäftliche E-Mails werde getauscht, Termine und Verabredungen per WhatsApp möglichst effizient getroffen, das gedruckte Wort in Zeitschriften und Zeitungen ob online oder auf Papier ist wichtiger als jedes handgeschriebene. Die Diskussionen zur Abschaffung der Schreibschrift sind im vollen Gange. Doch mittlerweile kommen Stimmen auf, die eine komplette Abschaffung des Erlernens der Handschrift fordern. Wie steht man dieser Frage gegenüber? Ich habe sie mir selbst gestellt und entsprechende Pro und Kontra Argumente gesucht, die ich Dir gerne vorstellen möchte. Zuvor jedoch, nimm Dir einen Augenblick Zeit bevor Du weiterliest, und stell Dir selbst die Frage: „Sollte das Erlernen der Handschrift komplett abgeschafft werden?“. Wie ist Deine Antwort?
Auf einer Tastatur zu schreiben ist heute eine notwendige Fertigkeit. Auch diese muss gelernt sein. Wer kennt es nicht, der Anfang im 1-Finger-Such-System? Es ist langsam und ermüdend. Eine effiziente Schreibweise auf der Tastatur zu erlernen ist zeitaufwendig. Mit Übung alleine ist es nicht getan. Das 10-Finger-Schreib-System ist bis heute die effizienteste Methode, wenn man schreiben können möchte ohne auf die Tastatur zu sehen. Das ist auch sinnvoll, da Fehler direkt im Monitor erkannt und korrigiert werden können, aber dazu muss man während des Schreibens natürlich den Bildschirm im Blick haben. Die Zeit und Arbeit, die es braucht dieses System zu erlernen ist im Arbeitsalltag nur schwer zu finden. Entsprechend sieht man viele mit der Tastatur ineffizient umgehen. Warum sollten wir den heutigen und zukünftigen Kindern dies nicht erleichtern, in dem sie von Anfang an Schreiben auf der Tastatur anstelle des Stifts lernen?
Beherrscht man das System, ist man wesentlich schneller mit dem Schreiben als per Hand. Steno wird kaum noch im Alltag genutzt, aber schnelles mitschreiben in der Schule, Uni und Meetings ist nach wie vor erwünscht. Wer möchte nicht gerne das Meeting oder die Vorlesung Wort für Wort mitgschrieben haben? Handschriftlich ist dies unmöglich. Je mehr man mitschreibt, desto mehr Informationen kann die Mitschrift enthalten und entsprechend lernt man doch mehr.
Die elektronische Schrift ist essentiell im heutigen Alltag, das stellt niemand in Frage. Aber die Grundfähigkeiten des Schreibens per Hand sind eine wichtige Voraussetzung, um mit Worten umgehen zu können. Eine intensive Auseinandersetzung mit der Schrift und den Formen ist für Kinder wichtig, um ihre motorischen Fähigkeiten und ihre Koordination von Hand, Bewegung und Gehirn zu schulen und zu verbessern. Beim Schreiben wird eine Spur im Gehirn erzeugt, die ein wesentlicher Faktor ist, um sich Dinge zu merken. Das Schreiben auf der Tastatur mag schneller sein, aber im Gehirn bleibt weniger hängen, wie unter anderem Studien von Forschern der Pronceton- Universität und der Universität von Kalifornien zeigen. Das Gesagte wird aufgenommen, verarbeitet und in eigenen Worten wiedergegeben. In diesem Moment hat das Gehirn die Zusammenhänge begriffen und kann wesentlich länger als Information gespeichert werden, als das Abtippen mit der Tastatur. Es geht nicht immer nur um die Schnelligkeit, gerade bei Kindern oder allgemein beim Lernen werden Mitschriften per Hand wesentlich mehr Informationen im Gehirn speichern. Ein essentieller Grundstein des Lernens.
Die Leserlichkeit der Schrift am PC ist nicht zu vergessen. Wie häufig konnte schon ein handgeschriebener Zettel nicht gelesen werden? Die Empfehlung des Chefs? Die Medikamente, die der Arzt verschreibt? Wie viel Zeit wurde vergeudet Handschrift zu entziffern? Das Problem ist dank der Tastatur passé. Es gibt keine Problem mehr die Mitschriften von Kollegen, die Nachrichten von Kunden zu lesen. Es willkommener Mehrwert in der heutigen effizienten Welt.
Die Leserlichkeit per Hand ist deutlich reduzierter als auf dem PC. Aber dafür drückt sie Persönlichkeit aus. Ein individueller Austausch. Ein Liebsbrief handgeschrieben auf einem schönen Papier rührt die Herzen mehr als jede E-Mail oder SMS. Man sieht die Mühe, die sich jemand für einen gemacht hat. Ein individuelles Geschenk. Vielleicht nicht geeignet für die Arbeit, wo das schnelle Erkennen der richtigen Informationen wichtig ist, aber dennoch nicht weniger wichtig, oder? Wollen wir wirklich, dass sich die heutigen und zukünftigen Kinder nur über ihre Arbeit identifizieren? Sollen sie nicht in der Lage sein ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln und zu zeigen? Nur weil ein Sache nicht beim Arbeiten perfekt genutzt werden kann, ist sie doch noch lange nichts schlechtes. Ein Blatt Papier und einen Stift hat man in (fast) jeder LEbenslage schnell zur Hand. Funktioniert überall auf der Welt, wenn man es dabei hat. Wie lange dauert das Hochfahren des Laptops? Für eine einzige kurze Notiz? Welch ein Aufwand. Was passiert, wenn kein Strom da ist? Wenn das Ladekabel vergessen ist? Soll die zukünftige Generation dann Meetings abbrechen, weil keine Mitschriften gemacht werden können? Durch das fehlende Erlernen der Handschrift ist die Aufnahme von Informationen ins Gedächtnis nicht geübt, daher werden sie nicht in der Lage sein einem Gespräch zu folgen und die Informationen später in den PC zu bringen. Die Handschrift zu erlernen kann also gar kein Fehler oder Zeitverschwendung sein. Denn wenn alle Stricke reißen, wird sie immer noch funktioniernen, egal in welcher Situation. Das Aufschreiben auf Papier, die letzte Notiz nach Flugzeugabsturz in die Wand des Fluggerätes, es wird immer eine Möglichkeit sein sich auszudrücken. Diese sollte niemandem genommen werden.
Die Aufbewahrung und Weitergabe von Mitschriften, Gedanken und Ideen ist bei elektronischer Schrift enorm einfach. Sie kann durch verschiedene Arten des Backups gesichert werden, die Tinte verblasst nicht. Selbst wenn ein ausgedrucktes Dokument verschwindet oder durch die Instabilität der Ressource Papier kaputt geht, ist die Mitschrift nicht verloren, da sie weiterhin im PC, in der Cloud oder auf der externen Festplatte zu finden ist. Informationen gehen nicht mehr verloren. Nicht umsonst wird die digitale Dokumentation in der Geschäftswelt immer mehr in den Vordergrund gestellt. Denk nur an das Gesundheitswesen, das immer mehr auf digitale Prozesse umschalten will, im Schneckentempo zwar, aber immerhin. Die Menge an Daten, die digital gesichert werden kann ist schier unendlich. Wie sollten all diese Informationen in Papierform sicher aufbewahrt werden? Das würde gar nicht funktionieren. Also nochmal, wieso sollen Kinder noch per Hand schreiben lernen?!
Papier ist anfällig, das ist absolut korrekt. Auch Tinte währt nicht ewig. Doch muss jedes Dokument ewig aufbewahrt werden können? Ist es nicht an uns selbst zu entscheiden welche Informationen wir benötigen und welche nicht? Warum sollte man nicht seine Gedanken per Hand auf das Papier bringen, ordnen und dann bei Bedarf in den PC übertragen? Ist es verwerflich sich intensiv mit Dingen auseinanderzusetzen? Es ist Merharbeit, aber im Endeffekt ist das Verständnis der Dinge so viel größer, dass dieser Mehrwert, ob im Beruf, der Uni oder Schule den Zeitaufwand immer rechtfertigt. Die eigenen Strategien werden entwickelt und perfektioniert, bis sie so effizient wie möglich sind. Würden alle Informationen digital aufbewahrt werden, dann würde es in einem Chaos enden. Auch dort sollte ein gewisses Maß an Schlankheit herrschen. Überall geht es um das Anstreben des Minimalismus‘, aber bei digitalen Daten ist es nicht so. Vielleicht weil der unbegrenzte Speicherplatz dazu verführt. Aber dennoch, auch so gehen Daten unter, die Wichtigkeit kann nicht herausgestellt werden. Alles ewig aufzubewahren ist nicht immer hilfreich. Auch hier ist ein Aufräumen und Auswählen nötig.
Per Hand schreiben fällt den Kindern heute immer schwerer. Sie sind motorisch überfordert. Ihre Konzentration beim Schreiben liegt komplett auf der Kreation der richtigen Buchstaben, der richtigen Schreibweise und der Grammatik. All das lenkt die Konzentration vom eigentlichen Inhalt weg. Die Fehler, die sich einschleichen generieren zusätzlihen Stress für das Kind. Eine unleserliche Handschrift erntet Kritik, die sich auch in den Noten widerspiegelt. Das Selbstbewusstsein des Kindes wird immens geschwächt. Die Leistungen in der Schule lassen nach. Das möchte kein Elternteil für sein Kind. Die Rechtschreibprogramme kontrollieren Rechtschreibung und Grammatik, wieso also sich diese Arbeit noch aufbürden? Lassen wir die Kinder doch ihre Konzentration auf das Wesentliche lenken: den Inhalt. Erwachsene nutzen dies doch ebenfalls. Die Welt ist schnell und wir müssen mithalten können, mit veralteten Prozessen geht das nicht.
Kinder sind motorisch überfordert? Naja, dann sollte man sie auch weiter damit fordern. Bewegung ist wichtig, sowohl körperlich wie geistig. Wenn schreiben lernen doch eine Möglichkeit ist das zu schulen, dann sollte man es nutzen, schließlich ist es eine essentielle Grundlage im Leben. Der Beginn des Schreibens ist für die Kinder eher eine freudige Erfahrung, da sie Konstrukte der Buchstabenformen spielerisch lernen, indem sie diese nachmalen. Das Kind wird zum Künstler seiner selbst. Hier ist keine Überforderung zu sehen, sondern eine Entfaltung. Die Koordination der Buchstabenbildung, gleichzeitigem Bedachts der Rechtschreibung und Grammatik ist in der Tat herausfordernd. Aber mit Zeit und Geduld kann jeder dieses lernen, sollte jeder dieses lernen. Das hört ja nicht auf, wenn per Tastatur geschrieben wird. Auch da muss ich die Buchstaben kennen, muss wissen welche Buchstaben wie zusammengesetzt werden, damit sie ein sinnvolles Wort ergeben. Ist das Erlernen am PC nicht viel schwieriger für Kinder, weil es sehr viel abstrakter ist? Eine wichtige Frage, die vor der Idee zur Abschaffung der Handschrift überhaupt erstmal diskutiert werden muss. Schreiben fördert logisches Denken und das Erkennen von Zusammenhängen, wichtige Fähigkeiten in der heutigen Welt. Einer Welt, die immer schneller wird. Schnelligkeit ist nicht immer gut, sie steigert den Druck auf die Menschen. Sie macht krank, wer ständig unter Druck und Stress steht ist ein Kandidat für Herzinfarkte, Schlaganfall oder psychische Erkrankungen. Es geht nicht um mithalten. Es geht darum die richtige Balance zu finden. Mal stehen zu bleiben, zu reflektieren, Luft zu holen. Schreiben entschleunigt den Alltag, in gewissen Situationen kann es sehr hilfreich sein und sollte nicht verloren gehen.
Das schlechte Handschrift Kritik erntet mag in manchen Fällen hart sein, aber auch hier sind es Lehrer, die den Umgang mit den Schülern überdenken sollten. Die Schule sollte kein Kind in seinem Selbstbewusstsein schwächen. Doch Kritik muss man auch dort lernen. Die Welt ist nicht zimperlich. Auch hier ist die Balance das Zauberwort und die Unterstützung die ein Kind von Seiten des Lehrers erfährt.
Insgesamt kann ich für mich sagen, dass ich definitiv gegen eine Abschaffung des Erlernens der Handschrift bin. Ich denke, diese Fähigkeit ist essentiell. Sie wird immer nutzbar sein und fördert die Entfaltung der Persönlichkeit, die Entschleunigung des Alltags und kognitive Leistung. Mir ist die Wichtigkeit des Schreibens mit der Tastatur bewusst und ich nutze diese in vielen Situtationen gerne, aber das rechtfertigt nicht die Abschaffung der Handschrift, wenn noch gar nicht über mögliche Problematiken und Konsequenzen nachgedacht wurde. Auf einer Tastatur zu schreiben kann in der Universität als freiwilliger Kurs angeboten werden. Auch wenn man es erlernen muss, ist der Aufwand geringer, wenn man Buchstaben und das Kreieren von Worten beherrscht. Mir ist die Handschrift und ihre positiven Eigenschaften viel zu wichtig, als dass ich irgendjemanden diese wegnehmen würde.
[Quelle Titelbild: Photo by pan xiaozhen on Unsplash]